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Beratungsgespräch

Im AutaRK-Fragebogen konnten die Befragten angeben, ob bestimmte Aspekte während der Hörgeräte-Anpassung von der Hörakustikerin bzw. dem Hörakustiker angesprochen wurden.

Die Daten zeigen, dass mit 94 % nahezu alle Befragten angeben, im Beratungsgespräch über Hör-Situationen, in denen sie gut hören wollen, gesprochen zu haben. 91 % wurde erklärt, dass sie das Hören mit Hörgeräten lernen müssen und dafür Geduld haben müssen, 88 % der Befragten wurde empfohlen, das Hörgerät den ganzen Tag zu tragen.

Mit 41 % haben weit weniger Befragte Hinweise bekommen, wie verschiedene Hör-Situationen z. B. durch Kommunikations-Strategien (siehe auch das Kapitel Kommunikations-Strategien) gut zu meistern sind, und lediglich 13 % haben Hinweise zur Audio-Therapie bekommen.

Die Ergebnisse dieses Kapitels auf einen Blick finden Sie hier.

Beratungsgespräch Fragebogen-Daten im Überblick 

Datengrundlage für die Auswertung sind die N = 170 Teilnehmenden zwischen 55 und 94 Jahren. In der Tabelle „Hörgeräte-Anpassung – Beratungsgespräch“ sind die Angaben der Befragten zu diesem Aspekt zusammengefasst (siehe Abbildung rechts oder Tabelle als PDF-Dokument).  

Hörgeräte-Anpassung – Beratungsgespräch und Geschlecht, Alter bzw. Hörschädigung 

Im Hinblick auf Geschlecht, Alter bzw. Hörschädigung zeigten sich beim Beratungsgespräch bei allen genannten Aspekten keine signifikanten Zusammenhänge (Chi-Quadrat-Test; p > 0,05). 

 

BeratungsgesprächEin Blick in die qualitativen Daten 

Folgen von Hör-Entwöhnung als Argument für das Tragen von Hörgeräten 

Auch in der qualitativen Untersuchung war den meisten Interviewten während der Hörgeräte-Anpassung offenbar empfohlen worden, ihre Hörgeräte möglichst jeden Tag zu tragen – nur wenige schienen allerdings zu wissen, warum sie das tun sollten und vor allem, was die Langzeit-Folgen sein können, wenn die Hörgeräte nicht oder nur selten getragen werden. Eine der Ausnahmen war die 90-jährige Waltraud R.*, die in diesem Falle von ihrem HNO-Arzt darüber aufgeklärt worden war:

„Ich hatte ja [nach der Anpassung meines ersten Hörgerätes] keine Erfahrung und ich sage Ihnen ganz ehrlich, bei mir stand von vornherein fest, das Ding nehme ich sowieso nicht. Ich höre ja noch genug, ja? Aber das ist ein Irrglaube. Da kommt man später erst dahinter, wie viele Kleinigkeiten durch das nicht mehr richtige Hören verloren gehen. 
Da ich nun auch zu meinem Hals-Nasen-Ohrenarzt ein sehr gutes Verhältnis hab, also der hat ja wirklich sehr intensiv mit mir gesprochen und […] weil ich eben erst gar nicht davon begeistert war, […] da hat der mir das erstmal plausibel gemacht, was verloren geht und was für Schäden dadurch verursacht werden können. Und das brachte dann die Einsicht.“
 
(Waltraud R.* | 90 Jahre | trägt HG gelegentlich | Int18, Pos. 89-94) 

Die Interviewte konnte anschaulich in eigenen Worten erklären, warum das Gehirn über die Zeit „verlernt“, Klänge und Geräusche zu verarbeiten, wenn die Schwerhörigkeit lange unversorgt bleibt und dadurch immer weniger akustische Reize im Gehirn ankommen (siehe auch das Kapitel Audio-Therapie sowie Das Hörgerät stört!).  

 

In den qualitativen Interviews wie auch in zahlreichen weiteren Gesprächen mit schwerhörigen Menschen, die im Rahmen des AutaRK-Projekts stattfanden, hatten wir den Eindruck, dass – ähnlich wie Waltraud R.* – zahlreiche Betroffene eine Aufklärung über mögliche Langzeit-Folgen der sogenannten „Hör-Entwöhnung“ als überzeugendes Argument bewerten, ihre Hörgeräte regelmäßiger zu tragen.

Ob diese Information von Hörakustikerinnen und -Akustikern oder HNO-Ärzten und -Ärztinnen in der Tat nur selten (verständlich) vermittelt wird oder ob sie in der schieren Menge der zu vermittelnden Informationen bei der Erst-Anpassung untergeht, lässt sich auf Basis unserer Daten nicht sagen. In der breiten Bevölkerung scheint dieses Wissen weitgehend unbekannt zu sein (also etwa auch unter Angehörigen von Betroffenen). 

Nach unserem Überblick über bestehende Informations-Materialien zu Schwerhörigkeit und Hör-Technik wird darin durchaus häufig auf Langzeit-Folgen unversorgter Schwerhörigkeit hingewiesen (und in diesem Zusammenhang ebenso auf das erhöhte Risiko für Depression, den Abbau kognitiver Fähigkeiten oder auch erhöhte Sturz-Gefahr). Vor und während der Erst-Anpassung ihres Hörgeräts geht jedoch nur ein Teil der Betroffenen selbstständig auf Informations-Suche – nach Schätzung der interviewten Hörakustikerin A1 etwa ein Drittel – und auch gedrucktes Informations-Material, das Hörakustikerinnen und -Akustiker ihrer Kundschaft mitgeben, wird oft nicht gelesen (zu möglichen Gründen hierfür siehe die Kapitel Nutzung gedruckter Informationen sowie Einstellung zu Hörgeräten). 

Wie der Interview-Auszug von Waltraud R.* bereits andeutet, gewinnen solche Informationen aber auch erst dann an Überzeugungs-Kraft, wenn sie aus vertrauenswürdiger Quelle stammen. Vieles deutet darauf hin, dass eine gute Beziehung und Vertrauen zum Hörakustiker bzw. zur Hörakustikerin wichtige Einfluss-Faktoren sind, ob und wie regelmäßig Hörgeräte später getragen werden (anders als bei Waltraud R.* schienen HNO-Ärztinnen und -Ärzte für die meisten Interviewten eine eher untergeordnete Rolle bei der Beratung zu Schwerhörigkeit und Hör-Technik zu spielen). Um eine solche Beziehung aufzubauen, ist wiederum der persönliche Kontakt im Gespräch zentral (siehe auch die Kapitel Hörgeräte-Anpassung - Hörakustiker / Hörakustikerin sowie Informations-Kanäle). 

 

Gewöhnung an das Hörgerät  

Bekommt jemand zum ersten Mal ein Hörgerät angepasst, braucht es eine Zeit lang, sich daran zu gewöhnen. Auch dies scheint den meisten Interviewten während der Anpassung mitgeteilt worden zu sein. Die 65-jährige Angelika O.* beschreibt ihre erste Zeit mit Hörgerät: 

„Ich weiß noch, als ich die Geräte gekriegt habe, dass ich am Anfang mich gescheut habe, die den ganzen Tag drin zu lassen, weil das für mich am Anfang unangenehm war. Das waren die ersten zwei, drei Wochen. […] 
Weil es drückte, weil es unangenehm war. Es war ein Fremd-Gefühl. Und da hatte ich mich dann nachher aber relativ schnell dran gewöhnt. Was für mich am Anfang schwierig war, waren die neuen Hör-Situationen.“ 
(Angelika O.* | 65 Jahre | trägt HG regelmäßig | Int16, Pos. 235-237)

 

Bei ihren ersten Hörgeräten war für die Interviewten in der Regel die größte Herausforderung, sich an das neue Hören zu gewöhnen – vor allem für hör-entwöhnte Betroffene wie etwa die 60-jährige Susanne A.*, die lange Zeit gezögert hatte, sich Hörgeräte verschreiben zu lassen. Sie hatte am Anfang vieles als zu laut empfunden und außerdem erst wieder lernen müssen, Geräusche richtig zuordnen und ausblenden zu können (zu den Effekten, wenn das Gehirn über die Zeit das Hören verlernt hat, siehe auch die Kapitel Audio-Therapie und Das Hörgerät stört!). Ihr Hörakustiker hatte ihr bei der Anpassung zwar gesagt, es könne sein, dass Geräusche zunächst „wie so ne Wand“ auf sie zukommen, sie fühlte sich aber dennoch nicht ausreichend auf die Gewöhnungs-Phase vorbereitet: 

„Auf diese Alltags-Geräusche bin ich nicht vorbereitet worden. Und da finde ich, sollte man ruhig sagenAlso Sie werden alles deutlicher hören und dann gleich mit Beispielen – Tür öffnen, klingeln. Das ist schon, wenn man Kleidung an- oder auszieht. Sie hören plötzlich da so Raschel-Geräusche. […] 
Man hört alles über-laut. […] Und das dauert eben so langeehe man das kompensiert hat, ehe man sich daran wieder gewöhnt hat. Das ist das, was so lange dauert.“ 
(Susanne A.* | 60 Jahre | trägt HG regelmäßig | Int01, Pos. 628) 

 

Um sich an das Hören mit Hörgeräten zu gewöhnen, müssen diese möglichst regelmäßig getragen werden, auch wenn das in der ersten Zeit unangenehm sein kann – oder wie Hörakustiker A3 es ausdrückt: 

„Hören mit Hörgeräten zu lernen, das ist so wie die ersten Schritte mit eingeschlafenen Füßen. Macht überhaupt keinen Spaß, aber wenn man jemals wieder ins Laufen kommen will, muss man sie gehen.“ 
(Hörakustiker A3 | Int21, Pos. 49) 

Am besten halten diese „Eingeschlafene-Füße-Phase“ diejenigen durch, die selbst motiviert sind, besser zu hören (und die Hörgeräte z. B. nicht nur auf Druck ihrer Angehörigen angeschafft haben, siehe auch das Kapitel Einfluss von Angehörigen).

 

Darüber hinaus spielt aber auch hier die Qualität der Beziehung zum Hörakustiker, zur Hörakustikerin eine Rolle.  

Der 52-jährige Andreas C.* hatte sich von seiner ersten Hörakustikerin nicht ernst genommen und auch nicht gut beraten gefühlt (zu den Kriterien, was aus Sicht der Interviewten einen guten Hörakustiker, eine gute Hörakustikerin ausmacht, siehe das Kapitel „Hörakustikerinnen und -Akustiker“). Er vermutet, dass sich das mit auf seine Bereitschaft ausgewirkt hat, die Hörgeräte regelmäßig zu tragen und darauf zu vertrauen, dass die Unannehmlichkeiten mit der Zeit tatsächlich nachlassen werden: 

„Ich hab [meiner Hörakustikerin] natürlich auch gesagt, ich höre den Wind, ich höre das Klappern und vor allen Dingen Zettel und sowas. Und da hat sie gesagt, ja, das ist normal und das vergeht auch wieder oder so. Aber das ist bei mir nicht vergangen, aber da hatte ich mich auch innerlich davon verabschiedet, dass das vergehen könne. 
Ich wollte es da nicht zu diesem Zeitpunkt. Vielleicht lags auch daran, dass ich mich eben mit der Akustikerin nicht so gut verstanden habe.“
 
(Andreas C.* | 52 Jahre | trägt HG ab und zu | Int03, Pos. 78)
 

 

Hörakustikerinnen und -Akustiker – 
Wie sie die Gewöhnung an Hörgeräte unterstützen können 

Die drei im AutaRK-Projekt interviewten Hörakustiker und
-Akustikerinnen nutzen in ihrer täglichen Praxis mehrere Möglichkeiten, um ihrer Kundschaft die Gewöhnung an die neuen Hörgeräte zu erleichtern. Zum einen stellen alle drei die Hörgeräte nicht gleich auf volle Lautstärke, sondern steigern deren Verstärkungs-Leistung allmählich über einen längeren Zeitraum – je nachdem, in welchem Ausmaß die jeweilige Kundin oder der Kunde das Hören bereits verlernt hat:
 

„Also erstens mal lege ich bei der Verstärkung ne Vollbremsung hin. Ich weiß, dass es ne Anpass-Philosophie gibt, wo man den Kunden am Anfang wirklich die volle Verstärkung gibt, das produziert nach meiner Erfahrung nur Drop-Outs [ = Abbrecher]. Mir ist Trage-Zeit viel wichtiger als Sprach-Verstehen. Mit anderen Worten, mir ist das vollkommen wurscht, wie viel nach dem ersten Termin verstanden wird. 
Mir ist wichtig, dass ich ne Einstellung habe, von der mir der Kunde signalisiert, ja, das ist ungewohnt, heißt, ich kann mich dran gewöhnen, aber, das bin ich bereit zu tragen. Ich betrachte es aus Kunden-Sicht. Weil der Kunde, für den ist es irrelevant, ob der siebzig, achtzig oder sechzig Prozent versteht. Für den ist es ein Riesen-Fortschritt, er muss nur noch halb so oft nachfragen wie bisher. Das ist das, was er registriert und das ist das, was er will. 
Und alles andereGehör sortiert keine Stör-Geräusche mehr aus und so weiter das steht dann alles noch mal in dem [Info-]Blatt drinnen [das ich Kundinnen und Kunden mitgebe]. Wobei ich weiß, selbst das wird nicht vollständig gelesen. Die Nachfragen zeigen mir das zumindest.“ 
(Hörakustiker A2 | Int21, Pos. 171)

Eine allmähliche Steigerung der Verstärkung erfordert allerdings auch mehr Besuche im Hörakustik-Fachgeschäft, was nach Erfahrung von Hörakustikerin A1 viele Kunden und Kundinnen nicht möchten: 

 „Braucht natürlich alles mehr Zeit, der Patient muss auch öfter herkommen. Auch das wollen ja dann viele nicht, dass wir hier ewige Termine haben – [die] sind ja dann auch meistens so, wir wollen herkommen und das soll funktionieren. [Wir versuchen ihnen dann zu vermitteln,] dass das eben doch ein Prozess ist, der langwieriger ist, dass sie Geduld haben müssen und sich dafür Zeit nehmen. 
(Hörakustikerin A1 | Int20, Pos. 72-73) 

Insgesamt sei es wichtig, so betont sie, ihren Kundinnen und Kunden transparent zu machen, was auf sie zukommt.

Ähnlich sieht das auch Hörakustiker A3: 

„Ich persönlich mach das manchmal sogar so, dass ich das dramatisiere. Also die haben dann eine Erwartungs-Haltung, was da Furchtbares auf sie zukommt und so furchtbar ist es ja dann gar nicht, das funktioniert dann sogar fast noch besser. Also man muss sie gezielt darauf vorbereiten.“ 
(Hörakustiker A3 | Int23, Pos. 201) 

Dabei nutzt er die Messwerte aus den Hör-Tests mit und ohne Hörgerät, um die Verbesserung des Hörens anschaulicher zu machen und seine Kunden und Kundinnen zu motivieren:

„Wir machen das so, dass wir in der Erst-Anpassung auch ne Messung machen, dass die erleben, dass sie jetzt auf einmal deutlich mehr verstehen als in der Messung, wo wir den Hör-Bedarf bestimmt haben – und zeigen denen diesen Wert, der wird ganz einfach in Prozent ausgedrückt, dann sehen die, ah, okay, das klingt zwar jetzt nicht gut, aber offensichtlich hilft mir das, deutlich besser zu verstehen, also lasse ich mich mal drauf ein.“ 
(Hörakustiker A3 | Int23, Pos. 202) 

 

Um in der Gewöhnungs-Phase durchzuhalten, kann es darüber hinaus hilfreich sein, die Angehörigen mit einzubeziehen (siehe auch das Kapitel Einfluss von Angehörigen): 

„Und tatsächlich ist es so, dass die [Angehörigen] sehr stark motivierend wirken können, indem sie zum Beispiel nachfragen, täglich, ob die Geräte genutzt werden, auch in der Probe-Phase, wenn sie sich gezielt Situationen schaffen, in denen sie den Hör-Erfolg erleben, die Verbesserung erleben. 
Also wir geben unseren Kunden dann auch immer die Empfehlung, Mensch, dann laden Sie doch mal jetzt Ihre Familie, Ihre Kinder mal zum Essen ein, dass Sie ins Gespräch kommenSchaffen Sie sich viele Situationen, in denen das sonst zu Versteh-Problemen kommt, und testen Sie das mal. 
Erzählen sie Ihren Angehörigen ganz klar, dass Sie das Thema jetzt in Angriff genommen haben, dass da ein bisschen Freude auch entsteht beim Gegenüber.“  
(Hörakustiker A3 | Int23, Pos. 205)  

 

Gutes Hören erfordert gute Zusammenarbeit 
zwischen Betroffenen und Hörakustikerinnen und -Akustikern 

Wenn ein Hörakustiker oder eine Hörakustikerin der Kundschaft eine Auswahl an Hörgeräten empfiehlt, dann sollte diese Empfehlung nicht nur auf den Mess-Ergebnissen der Hör-Tests beruhen, sondern auch auf den individuellen (Hör-)Bedürfnissen der betroffenen Person. Um diese zu ermitteln, geht Hörakustiker A3 beispielsweise folgendermaßen vor: 

„Wir bitten den Kunden zu einem sehr frühen Zeitpunkt, uns zu sagen, in welchen Situationen er besser verstehen möchte, wie er sich die Bedienung des Gerätes vorstellt, wie er sich das Aussehen des Hör-Systems vorstellt. Daraus ergeben sich maximal noch zwei, drei andere Fragen. […] 
Und dann versuchen wir, unsere Kollegen so zu schulen, dass sie dann in dem Beratungs-Gespräch nicht alle zwanzig Ausstattungs-Merkmale des Hörgerätes erklären, sondern dass sie sagen, Mensch, Frau Müller, Sie haben ja jetzt gerade beschrieben, dass Sie viel im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind, da ist davon auszugehen, dass Sie viel in halligen Situationen oder auch in lauten Situationen unterwegs sind. Deswegen würden wir bei Ihnen den Einsatz einer effektiven Störgeräusch-Unterdrückung empfehlen.“
 
(Hörakustiker A3 | Int23, Pos. 164-165) 

Moderne Hör-Systeme sind komplexe High-Tech-Geräte mit zahlreichen Funktionen. Gezielte Fragen, welche Ansprüche die Kundinnen und Kunden an ihr Hörgerät stellen und in welchen Situationen es in ihrem Alltag für sie besonders wichtig ist, gut zu hören, helfen nicht nur bei der (Vor-)Auswahl eines passenden Gerätes, sondern auch dabei, die Menge an zu vermittelnden Informationen im Beratungs-Gespräch einzugrenzen – was freilich auch hier Vertrauen voraussetzt, dass der Hörakustiker oder die Hörakustikerin die Informationen im Sinne der Kundin bzw. des Kunden vorfiltert (zum Problem der Informations-Flut und des Filterns bei Informationen zu Hören und Hör-Technik siehe auch die Kapitel Informations-Kanäle und Nutzung gedruckter Informationen, zum Vertrauens-Verhältnis zum Hörakustiker bzw. zur Hörakustikerin siehe Kapitel Hörgeräte-Anpassung - Hörakustiker / Hörakustikerin).  

 

Eine Herausforderung beim Ermitteln der Kunden-Bedürfnisse ist allerdings, dass viele Menschen, die zum ersten Mal ein Hörgerät angepasst bekommen, sich ihrer Bedürfnisse noch gar nicht bewusst sind. Die Audio-Therapeutin T1 empfiehlt deshalb allen, die zum ersten Mal Hörgeräte bekommen sollen, sich vor dem Besuch im Hörakustiker-Fachgeschärft in Ruhe Gedanken darüber zu machen: 

„Bevor Sie hingehen, überlegen Sie sich genau: Wo sind Ihre wichtigen Hörsituationen? Wie sieht Ihr Alltag aus? Mit wem sprechen Sie da? In welcher Umgebung? An welcher Stelle? Wie sind Ihre Hobbys? 
Wenn das noch berufstätige Leute sind, welche Gesprächs-Situationen und wichtigen Hörsituationen haben Sie auf der Arbeit? […] Dass Sie also dem Akustiker sagen können, das sind meine Situationen, das ist wirklich wichtig.“  
(Audio-Therapeutin T1 | Int30, Pos. 24) 

Nach der Erfahrung der von uns interviewten Hörakustiker und
-Akustikerinnen kommen bei der Erst-Anpassung die wenigsten Kundinnen und Kunden in solcher Weise vorbereitet zu ihnen ins Geschäft. Sie gehen deshalb oft mit ihrer
Kundschaft zusammen Frage-Kataloge durch, in denen Hör-Situationen beschrieben sind, die für viele schwerhörige Menschen wichtig bzw. schwierig sind, und stellen dann darüber hinaus viele Nachfragen.
 

Die Anpassung der Hörgeräte auf individuelle Hör-Bedürfnisse ist an dieser Stelle aber noch längst nicht abgeschlossen. Nachdem der Hörakustiker oder die Hörakustikerin einige Hörgeräte vorgeschlagen hat, die zu den Anforderungen der jeweiligen Kundinnen und Kunden passen, können diese die Geräte nacheinander mit nachhause nehmen und in verschiedenen Hör-Situationen ausprobieren (mehr dazu siehe Kapitel Hörgeräte testen). 

Haben die Kunden und Kundinnen sich nach der Probe-Phase dann für ein Gerät entschieden, so müssen dessen Einstellungen noch auf die jeweiligen Hör-Bedürfnisse angepasst werden. Um dabei optimale Hör-Ergebnisse zu erzielen, brauchen die Hörakustiker und -Akustikerinnen die Rückmeldung von den Betroffenen: In welchen Situationen klappt es mit dem Hören schon gut, in welchen noch nicht? Anhand dieser Informationen kann die Hörakustikerin oder der -Akustiker die Einstellungen der Hörgeräte dann entsprechend nachjustieren. Ebenso treten manchmal Probleme auf, dass etwa das Ohr-Passstück doch nicht richtig sitzt, drückt oder häufig herausfällt usw. Solche Probleme können nur behoben werden, wenn die Betroffenen es ihren Hörakustikerinnen und -Akustikern mitteilen. 

 

Nach unseren Interviews mit schwerhörigen Menschen und auch nach den Erfahrungen der befragten Hörakustiker und -Akustikerinnen trauen sich viele Betroffene aber nicht, bei (Hör-)Problemen ins Hörakustik-Fachgeschäft zu gehen. Manchmal scheinen sie gar nicht erst auf die Idee zu kommen, in solchen Fällen nachzufragen oder Rückmeldung zu geben. 

Hörakustikerin A1 kann sich nicht recht erklären, woran das liegt, denn sie ermutigt ihre Kundinnen und Kunden regelmäßig, sich bei Problemen zu melden und erklärt ihnen, dass oft erst beim Tragen der Hörgeräte noch weitere wichtige Situationen auffallen, für die die Einstellungen der Geräte nachjustiert werden sollten: 

„Die Patienten sind alle drei Monate hier, wir fragen, ist alles in OrdnungUnd die meisten sagen dann: Ja. Und dann kommt irgendwann mal jemand vielleicht von der Familie mit und sagt, aber wir haben doch hier schon die ProblemeAber es wird nicht angesprochen, ob aus Scham, ich weiß es nicht.“ 
(Hörakustikerin A1 | Int20 A1, Pos. 50) 

 

Da die Hörakustiker und -Akustikerinnen in der Regel in der Kunden-Akte dokumentiert haben, welche Hörsituationen diesen besonders wichtig sind, nutzen sie diese Information auch für gezielte Nachfragen:   

 „Mensch, sagen Sie mal, Sie hatten doch gesagt, dass Sie oft im öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind, und das ist ja nun ne Situation mit vielen Stör-Geräuschen. Wie klappt denn das da mit dem Hörgerät? Können Sie da besser verstehen? Stört Sie das? Tragen Sie’s überhaupt? 
Also wir nehmen dann immer wieder Bezug auf diesen Hör-Bedarf, den wir anfangs erfasst haben. 
(Hörakustiker A2 | Int23, Pos. 191) 

 

Nichtsdestoweniger ist und bleibt die Bereitschaft schwerhöriger Menschen, den Hörakustikerinnen und -Akustikern ihre Bedürfnisse und Probleme mitzuteilen, eine wichtige Voraussetzung für eine optimale Anpassung und damit auch für gutes Hören. Das betont auch die seit vielen Jahren schwerhörige Susanne A.*: 

„Also man ist immer auf das Gespräch mit dem Akustiker angewiesen. Und je mehr man jetzt von sich erzählt, was man braucht, desto mehr kommt auch zurück. Für nen älteren Menschen, der jetzt ganz ruhig ist und das eigentlich gar nicht will und nichts sagt, ist es schwer. Es ist sehr schwer. 

Der Akustiker erzählt bestimmt manches von sich aus, […] 
aber wenn die gar nicht ihre Bedürfnisse kennen oder gar nicht mehr wissen, was alles möglich ist, wie sollen sie dafür eintreten? Das find ich eben so schwierig. Und ich hab’s ja auch erst, beim ersten Test hab ich das noch lange nicht gewusst, was ich alles will. Das hat sich über die ganze Zeit ergeben. […] Bei der Erst-Versorgung weiß man das vorher nicht alles, was man möchte. Man sagt, ja, ich möchte gern den andern verstehen. Aber da sind so viele andere Geräusche, die man unbedingt wahrnehmen möchte.“ 
(Susanne A.* | 60 Jahre | trägt HG regelmäßig | Int01, Pos. 273-276)  

 

*Die Namen der Interviewten wurden geändert. 

Grafiken und Diagramme:

Hörgeräte-Anpassung - Beratungsgespräch

Abbildung 1:
Hörgeräte-Anpassung - Beratungsgespräch


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