Informations-Kanäle
Welche Informations-Kanäle
bevorzugen schwerhörige Menschen über 55?
Im AutaRK-Fragebogen konnten die Befragten angeben, welche Möglichkeiten zur Information über Hören und Hörtechnik sie hilfreich finden. Dabei wurden sowohl „klassische“ Informations-Kanäle wie z. B. persönliche Gespräche, aber auch moderne digitale Angebote wie z. B. Video-Sprechstunden erfragt.
Die Daten aus unserer Befragung zeigen, dass nahezu alle Befragten das persönliche Gespräch vor Ort mit dem Hörakustiker oder der Hörakustikerin als hilfreich empfinden, gefolgt von einem persönlichen Gespräch mit der HNO-Ärztin oder dem HNO-Arzt.
Etwas über die Hälfte der Befragten findet es hilfreich, sich über Gesundheitssendungen im Fernsehen zu informieren.
Die Möglichkeit zu einem Austausch in einer Video-Sprechstunde wird nur von einem geringen Anteil der Befragten als hilfreich erachtet. In den qualitativen Interviews zeigten sich die gleichen Tendenzen.
Die Ergebnisse dieses Kapitels auf einen Blick finden Sie hier.
Bevorzugte Informations-Kanäle –
Fragebogen-Daten im Überblick
Datengrundlage für die Auswertung sind die N = 170 Teilnehmenden im Alter zwischen 55 und 94 Jahren. In den Tabellen „Informations-Kanäle“ sind die Angaben der Teilnehmenden zu hilfreichen Informations-Kanälen zusammengefasst (siehe Abbildungen rechts oder Tabellen als PDF-Dokument).
Bevorzugte Informations-Kanäle und Geschlecht
An der Fragebogen-Erhebung beteiligten sich gleich viele Frauen und Männer. Im Hinblick auf das Geschlecht zeigten sich bei den Kanälen keine signifikanten Zusammenhänge (Chi-Quadrat-Test; p>0,05).
Bevorzugte Informations-Kanäle und Alter
Im Hinblick auf das Alter zeigten sich signifikante Zusammenhänge (Chi-Quadrat-Test; p<0,05):
Die Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen schätzte mit 60,4 % (n = 32) die Möglichkeit, ein persönliches Gespräch mit einer Audiotherapeutin oder einem Audiotherapeuten führen zu können, besonders häufig als hilfreich ein.
Mit zunehmendem Alter wurden folgende Informations-Kanäle seltener als hilfreich eingeschätzt:
-
Videosprechstunde mit Hörakustiker / -Akustikerin
-
Erklär-Videos im Internet (z. B. YouTube)
-
Informations-Plattform in Internet
-
Forum / Chat im Internet
Mit höherem Alter wird das persönliche Gespräch häufiger, digitale Medien werden seltener als hilfreich eingeschätzt.
Warum bevorzugen die Befragten das persönliche Gespräch?
Antworten aus den qualitativen Daten
Auch in der qualitativen Befragung gaben die Interviewten an, dass sie sich zu Schwerhörigkeit und Hörgeräten am liebsten im Gespräch informieren mit ihren Hörakustikern und Akustikerinnen bzw. HNO-Ärzten und -Ärztinnen. Bisher hatte noch niemand von den Interviewten ausprobiert, solche Gespräche per Video zu führen. Zwar bekundeten einige durchaus Interesse an Video-Sprechstunden oder auch der Fern-Anpassung von Hörgeräten, aber nur unter bestimmten Bedingungen und nur in bestimmten Situationen (Genaueres dazu siehe das Kapitel Tele-Hören).
Insgesamt wird das persönliche Gespräch vor Ort gegenüber allen anderen Informations-Kanälen bevorzugt. Einige mögliche Gründe hierfür werden im Folgenden angeführt:
Zugang zum Internet / Kompetenz im Umgang damit
Nicht alle Interviewten, insbesondere die Hochaltrigen, haben Zugang zum Internet oder fühlen sich kompetent genug im Umgang damit (siehe auch das Kapitel Internet-Nutzung). Das schließt für einen Teil der Zielgruppe Informations-Angebote aus, die einen Internet-Zugang und ein Mindestmaß an Kompetenz im Umgang damit voraussetzen.
Das Problem der Informations-Flut
Wenn die Interviewten im Internet nach Informationen zu Hören und Hörtechnik suchen, dann tun sie das meist mithilfe von Suchmaschinen. Die Suchergebnisse bieten ihnen dann eine Flut an Informationen, aber es fehlt die Fachkompetenz, um diese filtern und bewerten zu können. Die interviewte Ingeborg B* sucht sich daher z. B. lieber vertrauenswürdige Gesprächs-Partner und
-Partnerinnen und nutzt das Internet nur zur Ergänzung:
„Wenn man einmal was eingibt in Google, dann braucht man den ganzen Tag nicht aufhören. […] Aber ich kann nicht alles erfassen. Ich weiß es nicht und verstehe nicht alles. Ich versuche, mir dann die Partner zu suchen, wo ich also sicher sein kann, dass die im Rahmen ihrer Möglichkeiten mir alles erzählen, was ich wissen muss, und mir helfen. Und darauf vertraue ich. Und dann nehme ich das andere nur mal zur Ergänzung.“
(Ingeborg B.* | 74 Jahre | bekommt erstes HG angepasst | Int02 Pos. 186-188)
In solchen persönlichen Gesprächen haben die Betroffenen auch die Möglichkeit, bei Verständnis-Schwierigkeiten unkompliziert nachzufragen.
Vertrauen in die Informations-Quelle
Viele Interviewte trauen den Informationen nicht, die sie im Internet finden. Sie vermuten bei den Informations-Quellen unter anderem kommerzielle Interessen, die im Konflikt mit ihren Interessen als Betroffene stehen:
„Wissen Sie, ich vertraue dem Netz sehr wenig, weil fast immer Geschäfts-Iinteressen oder irgendwelche persönlichen Interessen dahinter stehen. Das ist ja das Schlimme, dass so viel keine neutrale Information ist, sondern ne gezielte Information. Und der Computer wird ja überwacht ohne Ende. Das merk ich jeden Tag.“
(Werner M.* | 82 Jahre | trägt HG ab und zu | Int09, Pos. 325)
Mit der Überwachung seines Computers spielt der Interviewte Werner M* hier auf die personalisierte Werbung an, die er z. B. im Anschluss an eine Web-Recherche zu Hören und Hörtechnik angezeigt bekommt. Solche personalisierten Anzeigen finden mehrere Befragte unheimlich und sie untergraben ihr Vertrauen in Informationen aus dem Internet noch weiter.
Den Befragten ist durchaus bewusst, dass Hörakustikerinnen und
-Akustiker ebenfalls kommerzielle Interessen verfolgen. Der persönliche Kontakt über mehrere Gespräche hinweg ermöglicht aber, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das es den Betroffenen leichter macht, die vermittelten Informationen anzunehmen (mehr zur Vertrauens-Beziehung zwischen Hörakustikern / -Akustikerinnen siehe das Kapitel Hörgeräte-Anpassung - Hörakustiker/Hörakustikerin).
Wunsch nach persönlicher Begleitung
Vielen Interviewten, auch jüngeren und technik-affinen, ist gerade während der (Erst-)Anpassung von Hörgeräten die persönliche Begleitung wichtig. Wenn sie zum ersten Mal ein Hörgerät angepasst bekommen, bedeutet das für viele schwerhörige Menschen eine deutliche Umstellung im Alltag und auch im eigenen Selbstbild, die sie erst einmal verarbeiten müssen (siehe auch das Kapitel Einstellung zu Hörgeräten). Fachlich und sozial kompetente Begleitung kann diesen Umstellungs-Prozess erleichtern – dies wiederum funktioniert nach Ansicht vieler Interviewter am besten im persönlichen Gespräch vor Ort:
„Das Hörgerät ist so ne Schnittstelle zwischen Technik und Mensch. Und da ist sie [ihre Akustikerin] irgendwie der menschliche Stellknopf. Sie ist einfach ne nette Person und es war ein angenehmer Umgang. Und es war ein angenehmer Raum. […]
Wenn ich das jetzt alles komplett zuhause machen würde, ich krieg ne Datei zugeschickt und setze mir Kopfhörer auf und probier das zuhause aus und dann muss ich da auf die Knöpfe drücken, das würde ja alles auch zuhause gehen. Aber ich glaube, ich möchte da begleitet werden.“
(Sandra D.* | 49 Jahre | trägt HG ab und zu | Int04, Pos. 537-538)
Gesundheits-Sendungen im Fernsehen und Apotheken-Zeitschriften
Gesundheits-Sendungen
Wie bereits die Zahlen der Fragebogen-Erhebung zeigen (siehe Abbildung 4), sind auch Gesundheits-Sendungen im Fernsehen ein beliebtes Informations-Medium – hier hatten 57 % der Befragten angegeben, dass sie die dort vermittelten Informationen hilfreich finden.
Die Interviewten aus der qualitativen Befragung sprachen in diesem Zusammenhang vor allem von Gesundheits-Sendungen öffentlich-rechtlicher Fernsehprogramme, die ihnen unter anderem deshalb glaubwürdig erscheinen, weil kommerzielle Interessen hier weniger im Vordergrund stehen:
„Die gucken wir uns schon häufiger an. Weil es geht ja da nicht nur ums Hören, sondern das ist ja nur einer von vielen Punkten. Aber es ist für uns als ältere Menschen ja doch manchmal wissenswert, Tipps zu kriegen oder Hinweise, was man machen kann. […] Das ist nicht so sehr von Geschäfts-Interessen geprägt wie manchmal im Internet.“
(Werner M.* | 82 Jahre | trägt HG ab und zu | Int09, Pos. 344-346)
Der interviewte Werner M.* schätzt solche Sendungen aber auch, weil die Informationen dort unterhaltsam präsentiert werden:
„Ja, es ist mehr eingängig. Wissen Sie, wenn Informationen bisschen locker-flockig, aber sachlich fundiert [gestaltet sind], dann sind die eingängiger. Da sind Sie eher bereit, da hinzuhören und auch mal mitzumachen und zu probieren, ne?“
(Werner M.* | 82 Jahre | trägt HG ab und zu | Int09, Pos. 551)
Bei Hörproblemen gibt es bei den meisten Fernseh-Programmen auch die Möglichkeit, Untertitel einzublenden, die mehrere Interviewte auch nutzen.
Gesundheits-Sendungen und Apotheken-Zeitschriften –
gut für die allgemeine Sensibilisierung zu Hören und Hörtechnik
Ein breites und eingängig gestaltetes Angebot zu Gesundheits-Informationen bieten darüber hinaus Apotheken-Zeitschriften. Nach diesen wurde im Fragebogen nicht gefragt, einige Interviewte gaben sie jedoch als beliebte Informations-Quelle an.
Sowohl Gesundheits-Sendungen im Fernsehen als auch Apotheken-Zeitschriften sind weniger geeignet für die gezielte Suche nach Informationen zu Hören und Hörtechnik. Aber gerade Interviewte mit mehreren gesundheitlichen Einschränkungen finden hier verständliche Gesundheits-Informationen zu all diesen Themen, was sie dazu motiviert, solche Zeitschriften regelmäßig zu lesen:
„Da gibt’s die normale Apotheken-Zeitschrift, also ich schwöre auf die, ja? […] Ich finde immer was für alles das, was ich hab. Immer.“
(Angelika O* | 65 Jahre | trägt HG regelmäßig | Int15, Pos. 766)
Sowohl Gesundheits-Sendungen als auch Apotheken-Zeitschriften scheinen daher besonders geeignet, die Zielgruppe eher allgemein und breitenwirksam zu Hören und Hörtechnik zu informieren und für das Thema zu sensibilisieren.
*Die Namen der Interviewten wurden geändert.